Multi-Port Knochenchirurgie am Beispiel der Otobasis, zweite Förderphase

DFG-Forschergruppe FOR 1585

Das DFG-Forschungsprojekt „Multi-Port Knochenchirurgie am Beispiel der Otobasis“ (MUKNO) ist eine Kooperation zwischen der Hals-Nasen-Ohren-Klinik in Düsseldorf, dem Werkzeugmaschinenlabor in Aachen und dem Fachgebiet „Graphisch-Interaktive Systeme“ in Darmstadt. Mit der zweiten Förderphase wurde die Kooperation um die „Projektgruppe für Automatisierung in der Medizin und Biotechnologie des Fraunhofer IPA“ in Mannheim erweitert.

Das Ziel des Forschungsprojektes ist, die Durchführung gewebeschonender Operationsverfahren an der Otobasis zu untersuchen. Die Herausforderung von Operationen an der Otobasis ist, keine vitalen Strukturen wie z. B. Gehörgänge oder Halsschlagader zu verletzen. Die aktuelle klinische Herangehensweise ist die Freilegung aller Kollisionsstrukturen durch den Chirurg. Der Umfang dieses Eingriffes bedeutet jedoch ein hohes Risiko für den Patienten.

Nachdem in der ersten Förderphase der Eingriff mittels 3 linearer Bohrkanäle untersucht wurde, werden in der zweiten Förderphase robotische Bohrverfahren für gekrümmte Bohrkanäle entwickelt und untersucht. Der Zugang zur Operationsstelle erfolgt mit den Instrumenten durch die gekrümmten Kanäle. Ein Navigations- und Kontrollsystem unterstützt den Arzt bei der Planung und Durchführung der Bohrungen.

Bei der Untersuchung der Beherrschbarkeit der Prozesskette wird diese um das robotischen System erweitert. Um die Komplikationsrate unter 0.5% zu halten, werden die Fehler aller Glieder der Prozesskette berücksichtigt. Die Prozesskette besteht aus den prä-operativen (Bildaufnahme, Segmentierung, Registrierung und Positionierung der Bohreinheit) und den intra-operativen (Lagebestimmung, Regelung und Visualisierung der Bohreinheit) Schritten.

Teilprojekte der zweiten Förderphase von MUKNO

Am Fachgebiet „Graphisch-Interaktive Systeme“ werden die Aufgabenpakete aus zwei Teilprojekten bearbeitet:

  • Computergestützte Planung nichtlinearer Zugangswege
  • Navigation der Bohreinheit

Computergestützte Planung nichtlinearer Zugangswege

Erster Schritt der Operationsplanung ist eine CT-Aufnahme der Otobasis. Aus diesen CT-Daten müssen die einzelnen Risikostrukturen segmentiert werden um so ein 3D-Modell zu erzeugen, das als Grundlage für die Planung mehrerer Bohrpfade verwendet werden kann.

Segmentierung

Im Rahmen des Forschungsprojekts MUKNO I wurde die Segmentierung der einzelnen Strukturen mit Hilfe des Probabilistic Active Shape Models (PASM) untersucht. Dabei konnte eine semi-automatische Erstellung des 3D-Modells zur Planung linearer Bohrpfade erreicht werden, wobei die Initialisierung der einzelnen statistischen Modelle des PASM noch manuell durchgeführt wurde. Im zweiten Teil der Forschungsphase soll nun die Genauigkeit der Segmentierung weiter verbessert und eine vollautomatische Segmentierung durch geeignete Methoden der Initialisierung erreicht werden.

Planung

Aufgrund der Mechanik des Bohrers müssen die Zugangswege nach aktuellem Entwicklungsstand 2-fach stetig differenzierbaren Kurven mit eingeschränkter Krümmung entsprechen. Um die am besten geeignetsten Pfade zu berechnen, werden Algorithmen des Motion Planning, im Speziellen der nichtholonomen Pfadplanung, untersucht und weiterentwickelt. Insbesondere soll dabei auf die Optimierung der Zugangswege hinsichtlich medizinisch relevanter Parameter eingegangen werden.

Kontakt:

Navigation der Bohreinheit

Die Bohreinheit trägt Gewebe ab, erzeugt Vorschub und legt gekrümmte Bohrkanäle an. Zur Kontrolle des Prozesses muss die Lage der Bohreinheit (Position und Orientierung) vermessen werden. Abweichungen von der geplanten Trajektorie fließen durch die Regelung in neue Stellimpulse ein. Zur Kontrolle und Beobachtung durch den Arzt werden die aktuelle Lage und Abweichungen von der Planung während des Eingriffes dargestellt. Sind die Abweichungen größer als das vom Arzt zuvor bestätigte sichere Fenster, legt der Arzt das weitere Vorgehen fest.

(David Kügler)

Lagebestimmung der Bohreinheit

Als Basis für die Regelung und die Visualisierung muss die Lage der Bohreinheit bestimmt werden. Da die anatomischen Strukturen in der Otobasis sehr klein sind, muss eine hohe Genauigkeit erzielt werden. Eine hohe räumliche Genauigkeit wird durch die Aufnahme von Röntgenbildern erreicht. Wegen der damit verbundenen Strahlenbelastung ist die Abtastrate beschränkt. Zusätzlich lässt sich die Rotation um die Mittelachse nicht in ausreichender Genauigkeit aus den Bildern rekonstruieren, deshalb wird ein hybrides System aus C-Bogen und Elektromagnetischem Trackingsystem aufgebaut. Durch die Fusion der Messdaten soll eine hohe Genauigkeit sowohl in der zeitlichen als auch in der räumlichen Dimension erreicht werden.

Bahnregelung

Trotz Abweichungen von der geplanten Trajektorie aufgrund von Störeinflüssen, wie zum Beispiel inhomogener Gewebestruktur, Modellfehlern und Positionierungsungenauigkeit auftreten, darf das Gesamtsystem nie den „stabilen“ und sicheren Zustandsbereich verlassen, der durch den Arzt vorgegeben wurde. Für diese Aufgabe ist die Regelung verantwortlich. Bei kleinen Abweichungen von der geplanten Trajektorie korrigiert die Regelung vollautomatisch die Stellgrößen der Bohreinheit. Bei größeren Abweichungen werden alternative Trajektorien geplant, welche vom Arzt freigegeben werden. Dazu muss eine Regelungssoftware geschaffen werden und geeignete Kriterien für die verschiedenen Vorgehensweisen gefunden werden.

Visualisierung des Bohrfortschrittes und aktueller Abweichungen

Zur Visualisierung wird ein Tool (weiter-)entwickelt, welches die Bohreinheit, die Abweichugen von der geplanten Trajektorie und die anatomischen Strukturen für den Arzt aufbereitet und darstellt. Das Tool versetzt den Arzt in die Lage zu jedem Zeitpunkt die aktuelle Situation einschätzen zu können und bei Bedarf einzugreifen. Durch die Konzeption zusammen mit der Schnittstelle zur Planung ist es die zentrale Benutzerschnittstelle für den Arzt.