Zu Gast am Fachbereich: Prof. Isabella Graßl

Erste Gender-MINT-Gastprofessur für Computer Science

11.03.2025

Ab März begrüßen wir für zwei Jahre Dr. Isabella Graßl als erste Gender-MINT-Gastprofessorin für Informatik. In ihrer Lehre und Forschung verbindet sie Informatik und Geisteswissenschaften: Sie hat Bachelor-Abschlüsse in Internet Computing und in Sprach- und Textwissenschaften sowie Master-Abschlüsse in Informatik und Text- und Kultursemiotik an der Universität Passau erworben. Dort promovierte sie mit einer Arbeit über Diversität in der Programmierausbildung. Die 32-Jährige bringt internationale Forschungserfahrung unter anderem von der University of Cambridge mit, wo sie zuletzt als Research Associate im Bereich Computing Education tätig war. Die Gastprofessur ist am Fachgebiet Softwaretechnik von Prof. Mira Mezini angesiedelt und wird im ersten Jahr durch das Professorinnenprogramm III des Bundes und der Länder finanziert, im zweiten Jahr vom Fachbereich selbst. Wir haben Isabella Graßl zu ihrem Start am Fachbereich ein paar Fragen gestellt.

Bitte beschreiben Sie Ihre Forschung in einem Absatz.

Meine Forschung beschäftigt sich mit den menschlichen und sozialen Aspekten des Software-Engineerings. Ich untersuche, wie Diversität – sei es z.B. in Bezug auf Geschlecht, kultureller und ethnischer Zugehörigkeit, Weltanschauung, Berufserfahrungen sowie Beeinträchtigungen – die Zusammenarbeit in technischen Teams beeinflusst. Im Kern geht es darum besser zu verstehen, wie Menschen in Softwareteams interagieren und wie durch eine erfolgreiche Zusammenarbeit die Codequalität verbessert wird. Derzeit spielt auch die Frage eine zentrale Rolle, inwieweit Künstliche Intelligenz zukünftig mehr als nur ein Entwicklungswerkzeug sein wird und als ‚echter‘ Kooperationspartner im Team fungiert. Besonders am Herzen liegt mir die Forschung zur Nachwuchsförderung. Ich setze auf kreative und geschlechtssensible Ansätze, um Kinder und Jugendliche, unabhängig von Geschlecht oder sozialer Herkunft, für die Informatik zu begeistern. Durch solche Ansätze sollen insbesondere Gruppen angesprochen werden, die sich in diesem Feld bislang unterrepräsentiert fühlen.

Warum sollten Studierende sich für Ihre Themen interessieren? / Was ist das Spannende an Ihren Themen?

Meine Veranstaltungen bieten eine abwechslungsreiche Mischung aus kreativen und gesellschaftsrelevanten Themen, die in der Informatik oft zu kurz kommen. Viele denken bei Softwareentwicklung nur an technische Aspekte und sehen das Feld als männlich dominiert. Dabei ist Softwareentwicklung weit mehr als nur Code! Bei mir stehen die Menschen und ihre Zusammenarbeit im Vordergrund. Die Studierenden lernen natürlich die technischen Grundlagen, aber sie merken schnell, dass der wahre Erfolg eines Projekts oft von der Dynamik im Team abhängt – von der Fähigkeit, effektiv zu kommunizieren, Konflikte zu lösen und motiviert zu bleiben, insbesondere in stressigen Situationen. Viele haben das selbst schon erlebt: Teams scheitern eben oft nicht an der Technik, sondern an der zwischenmenschlichen Ebene. Genau diese Herausforderungen greifen wir in meiner Lehre auf und machen sie für die Studierenden direkt erfahrbar. Wer sich in der Informatik auch für Themen wie Diversität, Teamarbeit, Gesellschaft, Kreativität und Design interessiert, findet in meinen Kursen ein Zuhause.

Sie sind als Gender-Mint-Professorin an den Fachbereich gekommen – auf welchen Ebenen oder mit welchen Projekten planen Sie, das Thema einzubringen?

Für mich bedeutet Gender in den MINT-Fächern Barrieren in der Informatik abzubauen und das Fach so zugänglich und attraktiv wie möglich für alle Geschlechter zu gestalten. Es geht mir darum, eine Kultur zu schaffen, in der Diversität nicht nur respektiert, sondern aktiv gefördert wird. Denn ich bin überzeugt, dass Teams mit hoher Diversität, sprich möglichst viele verschiedene Perspektiven, bessere und kreativere Lösungen entwickeln. Konkret möchte ich das Lehrangebot um Kurse erweitern, die die kreativen, kommunikativen und kollaborativen Aspekte der Softwareentwicklung in den Vordergrund stellen. Dazu gehören beispielsweise Forschungsseminare, die sich mit der Geschlechtervielfalt in technischen Teams beschäftigen, und praxisorientierte Labs, in denen Studierende mit No-/Low-Code-Plattformen arbeiten. Hierbei stehen nicht nur der technische Output, sondern vor allem die Bedürfnisse der User sowie die Dynamik im Team im Mittelpunkt.

Besonders spannend finde ich interdisziplinäre Ansätze, etwa durch Kooperationen mit den Humanwissenschaften, um den gesellschaftlichen Kontext stärker in die Informatikausbildung einzubringen. Zudem plane ich mich in Outreach-Projekten zu engagieren, wie den Girls' Day oder ähnliche Formate. Damit möchte ich gezielt Mädchen und junge Frauen früh für Informatik begeistern und ihnen zeigen, wie vielseitig und kreativ dieses Feld ist.

In welchen Fachbereich der TU oder welches Fachgebiet würden Sie gerne mal einen Tag schnuppern? Warum?

Da ich durch mein Zweitstudium schon viele Eindrücke in die Gesellschafts- und Geschichtswissenschaften erhalten habe, würde ich gerne den mir bisher fremden Fachbereich Bau- und Umweltingenieurwissenschaften kennenlernen. Besonders interessiert mich, wie Technologien und Materialien in und unter extremen Umweltbedingungen – ob in den Alpen, der Wüste oder der Tiefsee – erforscht und entwickelt. Ebenso finde ich die Erforschung von extraterrestrischen Umgebungen wie dem Mars super spannend und würde auch über einen Besuch des TURM Observatories freuen. Solche Themen regen mich auch zum Nachdenken über die vielfältigen Herausforderungen unserer Zeit an.

Wenn ich heute Student/in wäre, würde ich …

… definitiv noch mehr fachfremde und -übergreifende Veranstaltungen besuchen und den Austausch mit Studierenden anderer Disziplinen suchen. Das Studium ist die perfekte Gelegenheit, über den eigenen Tellerrand zu schauen und so unfassbar wertvolle neue Perspektiven kennenzulernen. Gleichzeitig würde ich mir mehr Zeit nehmen, das Studentenleben in vollen Zügen zu genießen. Diese enorme Freiheit im Studium gibt es später selten, daher ist es wichtig, es wirklich wertzuschätzen und bewusst zu erleben.

Der beste Ausgleich zu einem stressigen Arbeitstag ist …

… Zeit in der Natur zu verbringen. Am besten ist eine ausgedehnte Wanderung in den Bergen, denn dann fühlt sich der Kopf wieder komplett frei an und viele Probleme erscheinen so unbedeutend. Diese Glücksmomente werden dann nur noch von einem traumhaften Kaiserschmarrn auf einer Berghütte getoppt! In Darmstadt und Umgebung freue ich darauf die Weinwanderungen auszuprobieren :)