Sicher und krisenfest kommunizieren und organisieren

LOEWE-Zentrum emergenCITY entwickelt resiliente Nachbarschaftsapp

23.03.2022 von

Forschende aus mehreren Fachbereichen der TU Darmstadt entwickeln am LOEWE-Zentrum emergenCITY eine Chat- und Nachbarschafts-App, die in Katastrophenfällen auch bei Ausfall des Internets weiterhin eine dezentrale Kommunikation möglich macht.

Die App des emergenCITY-Projekts ReSON soll zukünftig städtische Nachbarschaften sowohl im Alltag als auch in Krisensituationen bei der digitalen Selbstorganisation und Kommunikation unterstützen.

Nachbarschaften, die sich selbst auch über digitale Tools wie Chatgruppen oder Foren organisieren, sind längst Teil der städtischen Realität. Doch an jüngsten Ereignissen, wie beispielsweise der Flut im Ahrtal, lässt sich beobachten, dass digitale Kommunikationsmöglichkeiten in solchen Krisenmomenten oft zusammenbrechen. Dabei werden sie gerade dann besonders benötigt: für kurze Meldungen an Familie oder Freunde, dass man wohlauf ist, oder zur Koordination von Ressourcen und Aufräumarbeiten. Wie können also Nachbarschaftsgruppen ihre Selbstorganisation im Alltag und auch in einem Krisenfall – möglicherweise ohne Strom oder Internet – koordinieren und ihre Kommunikation praktisch aufrechterhalten?

Mit dieser Frage als Ausgangspunkt befasst sich das emergenCITY-Projekt ReSON (Resilient Self-Organized Neighbourhoods). Die Forschenden haben dazu eine App entwickelt, die zeigen soll, wie die digitale Selbstorganisation von städtischen Nachbarschaften in der Zukunft ganz alltäglich und auch in Krisensituationen funktionieren könnte. Ein technischer Demonstrator wird derzeit vorbereitet.

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des ReSON-Projekts sind überzeugt, dass eine resiliente Kommunikation in der Nachbarschaft nicht erst im Krisenfall aktiviert werden darf. „Die Nutzung digitaler Technik im Alltag ist längst völlig normal. Doch in der Krise ist diese Technik häufig gestört oder unterbrochen, wohingegen natürlich das Bedürfnis nach Kommunikation auch in der Krise bleibt und verstärkt auftritt“, erklärt Steffen Haesler, einer der beteiligten Wissenschaftler. Deswegen forscht das ReSON-Team, bestehend aus Forschenden der Rechts-, Geschichts-, Politik- und Ingenieurswissenschaften sowie der Informatik, aus der Nutzendenperspektive an der der Integration von sozialen Bedürfnissen und technischen Ansprüchen – im Alltag und in der Krise.

Großer Funktionsumfang

Die ReSON-App, die bisher noch als Prototyp und daher nicht-öffentlich erforscht wird, bietet dafür einen Funktionsumfang, der mit Facebook und WhatsApp vergleichbar ist. „Man wird Posts und Kommentare absetzen können, aber auch einfach seinen Standort angeben oder mit anderen Nutzerenden privat chatten können“, so Haesler. Technisch kann diese Kommunikation zentral und dezentral funktionieren und ist somit flexibel nutzbar. Mit der dezentralen Peer-to-peer-Lösung wird eine lokale Kommunikation, die keinen zentralen Server benötigt, in kurzen Distanzen zum Beispiel über WiFi oder Bluetooth ermöglicht und kann dadurch auch bei fehlendem Mobilfunk oder DSL noch funktionieren. Besonders geeignet ist diese Aufrechterhaltung der Kommunikation für den Austausch und die gegenseitige Hilfe in Nachbarschaften.

Zur Überbrückung größerer Distanzen besteht während der Peer-to-peer-Kommunikation darüber hinaus die Möglichkeit, Nachrichten über eine Reihe an Endgeräten, auf denen die App installiert ist, ans Ziel zu bringen. Je nach Art der Nachricht geschieht dies öffentlich oder privat und verschlüsselt. Die Endgeräte der App-Nutzenden können somit auch als „Postbote“ für Nachrichten fungieren. „Technisch“, fasst Haesler zusammen, „sind die Grundlagen bereits längst funktionsfähig da.“

„Der Fokus unserer Arbeit liegt daher auf den sozialen Aspekten“, so Haesler. Bürgerinnen und Bürger kennen ihre Bedürfnisse im Alltag – und die möchte ReSON adressieren. Dazu erforscht das Projekt, wie eine Nachbarschaft kommuniziert und sich organisiert – in Freiwilligenarbeit im Alltag und während vergangener Krisen. Ziel ist es, die technisch resiliente ReSON-App auf diese Bedürfnisse multithematisch anzupassen, sodass sie in den Alltag integriert und im Krisenfall funktionstüchtig bleibt. Schließlich wird sie so verschiedene use cases abbilden, die es dann zu analysieren gilt. „Wir planen mit der Entwicklung der App bis zum Sommer fertig zu werden“, so Haesler.

LOEWE-Zentrum emergenCITY

Das LOEWE-Zentrum emergenCITY forscht seit 2020 an resilienten Infrastrukturen digitaler Städte, die auch Krisen und Katastrophen standhalten. emergenCITY ist als interdisziplinäre und standortübergreifende Kooperation organisiert, an der die Partneruniversitäten Technische Universität Darmstadt, Universität Kassel und Philipps-Universität Marburg beteiligt sind. Darüber hinaus sind die assoziierten Partner das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) und die Stadt Darmstadt in das Zentrum eingebunden.

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