Von einem Gastvortrag zum Beruf

50 Jahre Fachbereich: Interview mit unserem Alumnus Werner Teppe

13.06.2022

Zunächst inspiriert von der Mondlandung, wollte Werner Teppe während der Schulzeit noch Naturwissenschaften studieren. Die praktischen Anwendungsmöglichkeiten der Informatik bewogen ihn schließlich zu einem Studium in unserem Fachbereich. Seine Diplomarbeit bei Professor Hans Tzschach und die dabei angefertigten Programmierarbeiten mit dem Betriebssystem BS2000 bescherten ihm einen Direkteinstieg in einem kleinen Startup, in dem er am ersten europäischen Computernetzwerk mit Anwendungsverbund für die Reisebranche mitarbeitete. Bis heute ist Teppe mit der TU Darmstadt und einigen Kommilitonen verbunden.

Werner Teppe studierte als einer der Ersten am Fachbereich Informatik und ist der TU bis heute verbunden.
Werner Teppe studierte als einer der Ersten am Fachbereich Informatik und ist der TU bis heute verbunden.

Fachbereich Informatik: Herr Teppe, Sie gehören zu den ersten Studierenden unseres Fachbereichs. Wie kam es dazu, dass Sie sich für diesen ganz neuen Studiengang entschieden hatten?

Werner Teppe: Fasziniert hatte mich in der Schulzeit die Weltraumforschung, die Raketentechnologie, der Wettlauf der damaligen Supermächte und besonders die Mondlandung in 1969, bei der ja einfache Analogrechner zur Steuerung eingesetzt wurden. Zudem hatte ich sehr gute Schulnoten in Mathe und Physik. In dieser Richtung wollte ich etwas studieren, aber nicht fürs Lehramt. Die Situation war Ende der 1960er Jahre an den Schulen für Lehrer nicht besonders ermutigend. Direkt nach dem Abitur wurde ich zum Wehrdienst eingezogen, so hatte etwas mehr Zeit über meinen Studien- bzw. Berufswunsch nachzudenken. Ich habe mich in dieser Zeit informiert, wo Diplom-Mathematiker bzw. -physiker in der Wirtschaft eingesetzt werden. Dies erschien mir nicht sehr attraktiv – in einer Versicherung wollte ich nicht unbedingt landen.

Zu dieser Zeit wurde über Informatik und Datenverarbeitung als neues Studienfach an der Schnittstelle von Mathematik und Ingenieurwesen diskutiert. Nur an wenigen Universitäten in Deutschland, wie etwa Karlsruhe und München, wurde das Fach bis dahin angeboten. Der Fachbereich Informatik in Darmstadt war ja 1972 in der Gründungsphase und es schien alles noch sehr übersichtlich zu sein. Wenn ich mich recht erinnere, haben im Wintersemester 1972/73 gerade mal 40 Studierende zusammen mit mir ihr Studium begonnen. Ich bin dann jedenfalls mal nach Darmstadt gefahren und habe mir in der Magdalenenstraße im Hinterhaus Informationsmaterial besorgt und dann entschieden: das könnte mich interessieren. Informatik erschien mir mehr praktischen Anwendungsmöglichkeiten zu eröffnen als Mathematik oder Physik. Außerdem musste ich mein Studium selbst finanzieren, auch deshalb habe ich dann Darmstadt gewählt, da die Entfernung zu meinem Heimatort in Nordhessen nicht so groß war und ich mich ca. alle zwei Wochen z.B. mit Lebensmitteln versorgen sowie meine alten Freunde treffen konnte.

Fachbereich Informatik: Welche Momente aus Ihrer Zeit am Fachbereich sind Ihnen besonders in Erinnerung geblieben?

Werner Teppe: Zum einen habe ich damals Professor David Parnas getroffen, der ein paar Jahre in Darmstadt tätig war und der als Pionier des Softwareengineerings galt. Bei ihm habe ich nach dem Besuch der Vorlesungen als studentische Hilfskraft gearbeitet und Übungsgruppen betreut. Da das Gebäude des Fachbereichs in der Magdalenenstraße nicht mehr ausreichte, wurden Räume am Steubenplatz angemietet. Einige Studierende haben sich über die Entfernung beschwert, die ja zwischen Vorlesungen und Übungen zurückgelegt werden mussten. Professor Parnas hat den Studierenden empfohlen die Strecke per Fahrrad zurück zu legen, um „das Gehirn zwischen den Vorlesungen mit Sauerstoff zu versorgen“ und er selbst kam tatsächlich immer in sehr legerer Kleidung mit dem Fahrrad – äußerst ungewöhnlich zu der Zeit.

Besonders in Erinnerung ist mir außerdem ein öffentlicher Gastvortrag von einem amerikanischen Wissenschaftler geblieben. Er sprach über das damals geplante ARPA-Network, einen Vorläufer des heutigen Internets, mit dessen Hilfe Großrechner verbunden werden sollten. Zu dieser Zeit waren die großen Hersteller, besonders IBM, nicht daran interessiert, offene Schnittstellen zu schaffen, um Informationen mit Rechner der jeweils anderen Hersteller austauschen zu können. Der Vortrag jedenfalls hat mich sehr begeistert und war dann auch mitentscheidend bei der Wahl der thematischen Ausrichtung meines späteren Jobs.

Fachbereich Informatik: Wohin hat es Sie nach dem Studium verschlagen?

Werner Teppe: Der Fachbereich war zu meiner Zeit noch sehr klein und es gab nur wenige Stellen für eine Promotion, daher habe ich mich entschieden, in die Wirtschaft zu gehen. Heute würde man sagen, ich habe bei einem Startup-Unternehmen, der START Studiengesellschaft zur Automatisierung von Reise und Touristik, mit gerade einmal 20 Mitarbeitenden begonnen. Wir haben dort das erste Computernetzwerk mit Anwendungsverbund in Europa für die Reisebranche aufgebaut. Gekoppelt wurden damals die Systeme und Anwendungen von Lufthansa (Univac-Rechner), Bundesbahn (Siemens) und TUI (IBM). Das System hat sich inzwischen gegen die in den 1980er und 1990er vorherrschenden amerikanischen Systeme durchgesetzt – heute hat das Unternehmen mehr als 15.000 Mitarbeiter weltweit und ist Marktführer. Mein großer Vorteil war, dass das START-System mit Großrechnern der Firma Siemens unter dem Betriebssystem BS2000 aufgebaut wurde. Und genau das BS2000 wurde auch vom damaligen Informatikrechner genutzt, auf dem ich meine Diplomarbeit am Fachbereich geschrieben und programmiert habe. Es gab bei meinem Berufsstart wenige Informatiker, die BS2000-Kenntnisse hatten.

Fachbereich Informatik: Was haben Sie aus Ihrem Studium an der TU Darmstadt mitgenommen, das über das reine Fachwissen hinausgeht?

Werner Teppe: Spaß an der Vermittlung von Fachwissen: Ich hatte ja mehrere Tutorenjobs an der TU Darmstadt. Diese Freude an der Wissensvermittlung habe ich mit in den Beruf genommen und da in meiner aktiven Zeit oft Vorträge und Schulungen über das START-System und die eingesetzten Technologien gehalten. In Kooperation mit der Dualen Hochschule Baden-Württemberg und der University Aberystwyth in Wales konnte ich in meinem Verantwortungsbereich zudem vielen Studierenden eine Praktikumsbetreuung ermöglichen.

Neugier auf Neues: Ich habe mich immer – auch jetzt noch – für neue Forschungsergebnisse in den Naturwissenschaften interessiert und besuche auch heute noch Querschnittvorlesungen, wie die Vorlesungsreihen „Was steckt dahinter“ an der TU Darmstadt und „Wissenschaft für alle“ bei der GSI.

Sport: Badmintontraining in der Hochschulsporthalle mit Kommilitonen führte dazu, dass wir in Vereinen in der Umgebung auch über das Studienende hinaus in Mannschaften zusammenspielten.

Fachbereich Informatik: Was wünschen Sie dem Fachbereich Informatik zum 50. Jubiläum?

Werner Teppe: Dem Fachbereich wünsche ich, dass es noch mehr gelingt, viele junge Menschen für die Informatik zu begeistern, denn Deutschland ist rohstoffarm. Unsere Rohstoffe sind Forschung, Wissen, Technologie, Informationsverarbeitung und der Transfer der gewonnenen Erkenntnisse in die Wirtschaft. Außerdem, dass dieser Transfer stärker ausgebaut wird und mehr Kooperationen zwischen Wissenschaft und Industrie realisiert werden. Während meines Berufslebens habe ich versucht, den Wissenstransfer in beide Richtungen durch Kooperationen und gemeinsame Forschungsprojekte zu intensivieren. Ich habe dabei festgestellt, dass Wirtschaftsunternehmen teilweise gar nicht wissen, was an den Universitäten erforscht wird und welche Erkenntnisse gewinnbringend angewendet werden können. Andererseits ist an den Universitäten oft nicht bekannt, vor welchen Problemen Unternehmen stehen und damit auch nicht, wie eventuell unterstützt werden kann. Beide Seiten können aus meiner Sicht vom offenen Austausch nur profitieren.


Die Fragen stellte Daniela Fleckenstein.

Über Werner Teppe

Werner Teppe studierte ab 1972 Informatik an der TH Darmstadt und schloss 1978 mit einer Diplomarbeit bei Prof. Hans Tschzach sein Studium ab. Danach begann er bei der Start Datentechnik für Reise und Touristik als Systemprogrammierer und half mit, das erste europäische Reisereservierungssystem START aufzubauen, das 1979 in Betrieb ging. Später war er als Direktor Systemtechnik Zentralanlagen für die Hardware- und Systemsoftwareplanung sowie den Betrieb der zwei Großrechenzentren zuständig. Nach der Verlagerung der beiden Rechenzentren in ein Konzernrechenzentrum verantwortete er schließlich mehrere komplexe Migrationsprojekte, die u.a. dazu führten, dass heute die Applikationen auf modernen Linux-Systemen laufen. Mit Vorträgen bei Benutzervereinigungen, bei Fachkonferenzen von Wirtschaft und Wissenschaft und bei Forschungsprojekten förderte er während seiner Berufstätigkeit den Wissenstransfer. Heute ist Werner Teppe beruflich im Ruhestand und übt verschiedene ehrenamtliche Tätigkeiten aus.

Werner Teppe ist Teil des Alumni-Netzwerks der TU Darmstadt

50 Jahre Fachbereich Informatik

1972 wurde der Fachbereich Informatik an der damaligen TH Darmstadt gegründet. Das offizielle Gründungsdatum geht auf die erste Fachbereichskonferenz am 15. Mai 1972 zurück. Wie die Wissenschaft, der er gewidmet ist, ist auch der Fachbereich Informatik in den letzten 50 Jahren gewachsen und hat sich stark weiterentwickelt. Das Jubiläumsjahr 2022 nehmen wir zum Anlass, sowohl die Geschichte als auch die heutige Vielfalt unseres Fachbereichs zu beleuchten.

Erinnern Sie sich gerne an Ihre eigene Studien-, Promotions- oder Arbeitszeit am Fachbereich Informatik? Wir freuen uns über Bilder und Geschichten aus Ihrer Zeit am Fachbereich genauso wie über Grüße und Glückwünsche. Schreiben Sie uns gerne Schreiben Sie uns gerne über das verlinkte Formular.