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Lebenslanges Lernen für Künstliche Intelligenz in der Medizin

TU-Informatiker*innen entwickeln standardisierte Plattform zur Entwicklung und Validierung von KI-Lösungen in der klinischen Routine

2023/07/26 by

Ärzt*innen sind für eine schnelle und korrekte Diagnose häufig auf bildgebende Verfahren wie beispielsweise die Computer tomographie (CT) angewiesen. Seit einiger Zeit werden sie bei der Anlayse der CT-Scans von künstlicher Intelligenz (KI) unterstützt. Diese kann zum Beispiel darauf trainiert werden, verschiedene Gewebetypen in der Bilddatei zu segmentieren, also exakt voneinander abzugrenzen und farblich zu markieren. Die Weiterentwicklung dieser KI-Lösungen im Klinikumfeld wollen Informatiker*innen der TU Darmstadt in einem einzigartigen interdisziplinären Projekt beschleunigen.

Vor zwei Jahren startete das vom Bundesministerium für Gesundheit geförderte Verbundprojekt EVA-KI unter Leitung des TU-Informatikers Dr. Anirban Mukhopadhyay. Einzigartig daran ist, dass erstmals Informatiker*innen, Mediziner*innen aus zwei deutschen Universitätskliniken, Expert*innen der medizinischen Softwareindustrie sowie Expert*innen für die Zulassung von Medizinprodukten zusammenarbeiten. Gemeinsam wollen sie eine Plattform für die Entwicklung und Validierung von KI-Lösungen in der klinischen Routine etablieren.

Vom statischen zum kontiuierlichen Lernen

Bei der Umsetzung vielversprechender Forschungsergebnisse in die klinische Praxis muss eine wichtige Hürde überwunden werden: der Übergang vom statischen zum kontinuierlichen Lernen, d. h. zum Training von Modellen während ihres gesamten Lebenszyklus. Kontinuierliches Lernen, stößt auf wachsendes Interesse, steckt aber im Gesundheitswesen noch in den Kinderschuhen. Sowohl die Methoden als auch die rechtliche Regulierung müssen dafür neu gedacht und getestet werden.

Dr. Anirban Mukhopadhyay,
Leiter MEC-Lab am Fachbereich Informatik

Medizinisches Wissen ist dynamisch und wird ständig an neue Erkenntnisse, aktualisierte medizinische Verfahren oder das Auftreten neuer Krankheiten (z. B. Pandemien) angepasst. Doch die einzige Art von Lernmodellen, die derzeit in den USA oder der EU Patienten helfen dürfen, sind die statischen Lernmodelle. Wir haben die EVA-KI-Konsortien gegründet, um einen ganzheitlichen Ansatz für kontinuierliches Lernen im Gesundheitswesen zu verfolgen, und zwar aus technischer, klinischer und regulatorischer Sicht.

Picture: GRIS | TU Darmstadt

Durch das Verbundprojekt haben die Forschenden sehr gut funktionierende Kooperationen zwischen der technischen, klinischen und regulatorischen Arbeitswelt. Sie können die Algorithmen mit optimal aufbereiteten Daten trainieren und diese dann unter realistischen Bedingungen in den Kliniken testen lassen. Als Gegenleistung erhalten die Mediziner*innen eine ständig verbesserte und an ihre Bedürfnisse angepasste KI-Lösung.

Kooperation zwischen der technischen, klinischen und regulatorischen Arbeitswelt

Von den Unikliniken erhalten Mukhopadhyay und sein Team anonymisierte medizinische Bilddaten, die Experten bereits mit einer speziellen Software einheitlich strukturiert mit Zusatzinformationen versehen haben. Für jeden CT-Scan einer Lungenembolie beispielsweise erhalten sie bestimmte Grunddaten sowie eine in der Struktur vorgegebene Bewertung der darauf zu erkennenden Läsionen der Lunge. Durch diese Daten lernt die KI, welche Strukturen sie wie einordnen soll. Mithilfe der so trainierten KI-Bilderkennung können Ärzt*innen in der Klinik schneller und präziser auch neues Bildmaterial analysieren. Die Nutzerstatistiken und das Feedback der Anwender*innen hilft den Forschenden wiederum, die Algorithmen immer weiter zu verbessern. Ein optimaler Kreislauf.

Damit die entwickelten KI-Lösungen auch außerhalb der Forschung eingesetzt werden können, arbeiten die Wissenschaftler*innen zudem eng mit einem Unternehmen für medizinische Regulierung zusammen. So soll sichergestellt werden, dass bereits bei der Entwicklung die Voraussetzungen für eine Zulassung in diversen Ländern berücksichtigt werden. Welche Hürden dabei genommen werden müssen, beschreiben die Projektbeteiligten anhand des fiktiven Unternehmens TuMEDa.

Standardisiertes Framework Lifelong nnU-Net

Von Ergebnissen des Verbundprojektes sollen zukünftig auch andern Forschende und Kliniker*innen profitieren: Mit ihrer Veröffentlichung Lifelong nnU-Net: a framework for standardized medical continual learning EVA-KI stellte das Team um Mukhopadhyay eine Bibliothek von Code und trainierten Modellen vor, die im Projekt entstanden ist. Sie erschien im Juni 2023 im renommierten Open Access Journal Nature Scientific Reports.

Das standardisierte Framework Lifelong nnU-Net ermöglicht Forschenden und Klinike`*innen das sequenzielle Training und Testen von Modellen für die kontinuierliche Segmentierung. Durch die Freigabe ihres Codes und der trainierten Modelle als Open-Source-Datensätze auf GitHub schaffen die Darmstädter Forscher einen neuen Standard für die Evaluierung zukünftiger kontinuierlicher Lernmethoden für Segmentierungsmodelle. Das Ziel von Lifelong nnU-Net ist es, hohe technische Standards und reproduzierbare Ergebnisse zu gewährleisten. Aufbauend auf der bewährten Segmentierungsmethode nnU-Net gewährleistet es eine breite Anwendbarkeit und senkt die Hürde für die kontinuierliche Evaluierung neuer Methoden.

Derzeit konzentriert sich die Forschung sehr auf die Verbesserung der Leistung von KI-Modellen in künstlich entworfenen Testszenarien. Diese Modelle sind jedoch oft nicht in der Lage, die dynamischen Anforderungen der realen Welt zu erfüllen. Wir wollen einen Mittelweg finden, der es uns ermöglicht, innovative KI-Lösungen in echten klinischen Szenarien auf sichere Art und Weise zu testen und zu entwickeln

Camila González, Alumna des MEC-Lab und Post-doc an der Stanford University

Die US-amerikanische Food and Drug Administration (FDA) hat vor kurzem einen Entwurf für einen Änderungskontrollplan veröffentlicht, der die Regulierung von kontinuierlich lernender KI als Medizinprodukt vorsieht. Ziel ist es, die iterative Verbesserung der Softwarefunktionen von Geräten, die maschinelles Lernen ermöglichen, zu unterstützen und gleichzeitig deren Sicherheit und Wirksamkeit zu gewährleisten. Die Partner von EVA-KI werden daher das Projekt fortsetzen und sich dabei auf die Zusammenführung der Bereiche Technik und Regulierung konzentrieren und mehrere White Papers erstellen. Diese Bemühungen werden von entscheidender Bedeutung sein, um die EU-KI-Verordnung mit den EU-Regelungen für Medizinprodukte in Einklang zu bringen.

Verbundprojekt EVA-KI – Etablierung einer Plattform für die Entwicklung und Validierung von AI-Lösungen in der klinischen Routine

Geleitet wird das Konsortium von Forschenden aus Darmstadt, Köln, Essen, Göttingen und München von Dr. Anirban Mukhopadhyay, Leiter der unabhängigen Forschungsgruppe MEC-Lab am Fachbereich Informatik der TU Darmstadt.

Die während ihrer Promotion am MEC-Lab maßgeblich an der Entwicklung beteiligte Informatikerin Camila González wechselte nach ihrer Promotion als Post-doctoral researcher an die Stanford University.

Das Bundesministerium für Gesundheit fördert das Projekt seit Ende 2020 im Rahmen der digitalen Innovationen für die Verbesserung der patientenzentrierten Versorgung im Gesundheitswesen mit 1,7 Millionen Euro.

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