Unermüdlicher Einsatz für menschliche und technische Vernetzung

Interview mit Prof. Dr.-Ing. Dr. h.c. Ralf Steinmetz vor seinem Ruhestand

14.10.2024 von

Nach 28 Jahren an der Technischen Universität Darmstadt tritt Professor Ralf Steinmetz in den Ruhestand. Bis zum Ende des Sonderforschungsbereichs „MAKI – Multi-Mechanismen-Adaption für das künftige Internet“ hat er sich bereit erklärt alle Aufgaben als dessen Sprecher zu übernehmen. Im Interview lässt der Leiter des Fachgebiets Multimedia Kommunikation am Fachbereich etit und Zweitmitglied des Fachbereichs Informatik diese Zeit Revue passieren. Er spricht über Herausforderungen und seine große Vision, gibt Einblicke, wie sowohl die Zusammenarbeit verschiedener Forscher*innen als auch verschiedener technischer Kommunikationssysteme gelungen ist – und verrät, wie Forschung und Lehre auch in Zukunft erfolgreich gestaltet werden können.

Mit unermüdlichem Einsatz hat Prof. Dr.-Ing. Dr.h.c. Ralf Steinmetz an der TU Darmstadt nicht nur den Lehrstuhl für Multimedia Kommunikation aufgebaut und geleitet. Auch war er treibende Kraft hinter der Zusammenarbeit führender Wissenschaftler*innen verschiedener Universitäten im DFG-Sonderforschungsbereich „MAKI – Multi-Mechanismen-Adaption für das künftige Internet“. Mit Erfolg hat der Sonderforschungsbereich während der maximalen Förderzeit von zwölf Jahren mit Abschluss zum Ende des Jahres 2024 die Grundlagen für ein anpassungsfähiges Internet der Zukunft gelegt.

Die Vision der nahtlosen Kommunikation begleitete Ralf Steinmetz durch seine Laufbahn. Seine wissenschaftliche Expertise und sein Engagement dafür bescherten dem umtriebigen etit- und Informatik-Professor gleich mehrere Auszeichnungen, darunter die Ehrendoktorwürde der RWTH Aachen, die Ernennung zum GI-Fellow der Gesellschaft für Informatik und zum ITG-Fellow der Informationstechnischen Gesellschaft im VDE sowie die Ernennung sowohl zum IEEE Fellow als auch zum ACM Fellow als erster deutscher Wissenschaftler.

Darüber hinaus hat sich Ralf Steinmetz stets dafür eingesetzt, technische Innovationen auch in Ausgründungen und in der Lehre zu verwirklichen. Im Interview spricht er über seine Zeit an der TU Darmstadt und darüber, wie Vernetzung gelingen kann.

Herr Professor Steinmetz, wie hat sich die Lehre in Ihrem Fachgebiet während Ihrer Zeit an der TU Darmstadt entwickelt?

In der Lehre haben wir über viele Jahr neue Möglichkeiten der geschickten Nutzung von Informationstechnologien ausprobiert und diese prototypisch angewendet: Zum Beispiel seit etwa 2000 das E-Learning, was durch das damals gegründete E-Learning-Zentrum an der TU ermöglicht wurde. Oder das Konzept des Flipped Classrooms – das haben wir während Corona eingeführt.

Gibt es besondere Meilensteine oder Entwicklungen, die Sie miterlebt haben?

Hier ist insbesondere Corona zu nennen. Dadurch wurde damit begonnen, das vernetzte Lernen und Lehren breit einzusetzen. Heute ist das alltäglich. Auch zu nennen ist an dieser Stelle der sukzessive Umbruch vom reinen Schreiben auf Folien und Papier hin zu digitalen Darstellungen – und heute geschickten Mischformen aus beidem. Sozusagen das Beste aus beiden Welten.

Welche Herausforderungen haben Sie während Ihrer Karriere als Professor an der TU Darmstadt am meisten inspiriert?

An der TU gab es einen gewollten Wandel von anwendungsnaher, hauptsächlich industriefinanzierter Forschung über Grundlagenforschung, die von der DFG, Stiftungen, dem Bund und den Ländern finanziert wurde hin zu Forschungsthemen, die beides erlauben. Ich habe hier sehr viele und sehr gute fachbereichsübergreifende Kontakte, Partner, Freunde gefunden. Für mich gilt „Geht nicht, gibt es nicht“. Hindernisse kann man überall finden – und dann daraus lernen und weitermachen.

Welche Rolle haben Studierende während Ihrer Zeit an der Universität in Ihrer akademischen Arbeit gespielt?

Die Studierenden sind das A und O für unsere Zukunft – nicht nur an der TU Darmstadt. Einige gehen in die Industrie, andere promivieren und werden zu Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, wieder andere gründen neue Firmen.

Welche Erfahrung hat Sie am meisten geprägt?

Wir brauchen eine sehr gute Vernetzung. Gemeinsame Retreats sind hervorragend geeignet, solche Netze aufzubauen. Das Fachgebiet KOM war dieses Jahr zum Beispiel zum 28. Mal im Kleinen Walsertal, im absolut empfehlenswerten Darmstädter Haus.

Wie sehen Sie die Zukunft Ihrer Disziplin an der TU Darmstadt?

Eine Welt ohne eine technische Vernetzung ist heute nicht mehr denkbar. Dabei sind die kommunizierenden technischen Systeme, Hardware wie Software, sehr komplex. Der Mensch muss immer noch viel zu viel wissen und investieren, um diese Systeme einfach nur zu nutzen. Wo sind die resilienten kommunizierenden technischen Systeme in unserer heutigen chaotischen Welt? Ich freue mich sehr, dass der Fachbereich etit mit meinem Nachfolger Björn Scheuermann einen sehr engagierten Hochschullehrer und hervorragenden Forscher gewinnen konnte, der nun an diesen Herausforderungen arbeiten wird.

Welche Entwicklungen und Möglichkeiten sehen Sie für kommende Generationen von Studierenden und Forschenden?

In der Forschung sollten neben dem immer üblichen hohen Zitierungsindex auch andere Ziele vorangestellt werden. Insbesondere sollten Ausgründungen gefördert werden. In der Lehre sollten das projektbasierte Lernen sowie das Lernen im internationalen Kontext immer mehr werden. Verschiedene Fachgebiete und Disziplinen müssen mehr denn je zusammenarbeiten – und haben auch die Gelegenheit dazu. In der Lehre und Forschung sehe ich außerdem ein großes Potenzial bei unseren Ehemaligen, die wir viel stärker einbinden sollten.