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„Einzigartige Chance für den KI- und Robotik-Forschungsstandort Darmstadt“

Professor Jan Peters und Oleg Arenz sprechen im Interview über den humanoiden Roboter HAINER und den Stand der KI-Forschung an der TU Darmstadt.

2025/05/21

Professor Jan Peters und Oleg Arenz sprechen im Interview über den humanoiden Roboter HAINER und den Stand der KI-Forschung an der TU Darmstadt.

Informatikprofessor Jan Peters (rechts) und Dr. Oleg Arenz freuen sich auf die Zusammenarbeit mit ihrem neuen Teammitglied HAINER

Welche Bedeutung hat es für die TU Darmstadt als Robotik-Forschungsstandort, mit HAINER einen von weltweit lediglich fünf TALOS-Robotern und den einzigen in Deutschland zu besitzen?

Jan Peters: HAINER ist eine einzigartige Chance für den KI- und Robotik-Forschungsstandort Darmstadt! Er hat hier eine große strategische Bedeutung, da nur durch einen drehmomentgeregelten HAINER mit einem eingebauten KI-Computer wirklich “Embodied Intelligence”, also KI-basierte Robotik, betrieben werden kann. Da die TU Darmstadt in allen Aspekten der KI – vom Computersehen über die natürliche Sprachverarbeitung bis hin zum Roboterlernen – herausragend gut ist, ist es essenziell, dass alle diese Forschungsbereiche in Hardware in einer menschenvergleichbaren Situation zusammengeführt werden.

Wir können uns hier sehr glücklich schätzen, denn es wurden in Darmstadt gleich mehrfach die Weichen rechtzeitig richtig gestellt. Es wurden bereits vor dem KI-Boom herausragende Professoren zu allen Aspekten der KI eingestellt, und die TU Darmstadt ist die einzige deutsche Universität, welche KI in voller Breite und maschinelles Lernen in voller Tiefe abdeckt. 2025 startet laut NVIDIA-Gründer Jensen Huang das Zeitalter der humanoiden Robotik, weil zum ersten Mal alle notwendigen KI-Basistechnologien existieren. Dank dem rechtzeitig eingereichten Großgeräteantrag der TU Darmstadt und der Fertigstellung von HAINER im Februar 2025 sind wir in Darmstadt toll aufgestellt, die Grundlagen für die KI-basierten humanoiden Roboter zu legen!

Mit der Ankunft von HAINER fiel auch der Startschuss für das neue Labor für Humanoide Robotik. Welche Forschungsschwerpunkte möchten Sie in dem Labor künftig setzen?

HAINER demonstriert seinen Gleichgewichtssinn auf einem Balancingboard.
HAINER demonstriert seinen Gleichgewichtssinn auf einem Balancingboard.

Oleg Arenz: Im Labor für Humanoide Robotik erforschen wir grundlegende Ansätze, um menschenähnlichen Robotern eines Tages zu ermöglichen, uns im Alltag zu unterstützen. Die Herausforderungen liegen in der Vielfalt der Aufgaben und der Komplexität der Umgebung. Der Roboter muss kontinuierlich lernen, um sich an diese dynamische Umgebung anzupassen, ohne dabei vorhandene Fähigkeiten zu verlieren. Um diese Spannung zwischen Anpassungsfähigkeit und Stabilität zu lösen, müssen wir uns von monolithischen Blackbox-Systemen hin zu modularen Systemen bewegen, bei denen einzelne Komponenten leicht ausgetauscht oder angepasst werden können.

HAINER sehe ich als einen KI-Nexus – einen zentralen Verbindungspunkt, an dem verschiedene KI-Systeme aufeinandertreffen. Diese Systeme arbeiten auf unterschiedlichen Abstraktionsebenen: Große Sprachmodelle wie ChatGPT liefern Intuition, neurosymbolische Ansätze finden abstrakte Pläne, Lernen durch Imitation optimiert Bewegungen, und fortschrittliche Regelungsmethoden übersetzen diese im Millisekunden-Takt in Motorbefehle.

All diese Komponenten benötigen unterschiedliche Modelle, die miteinander in Einklang gebracht werden müssen und ein Szenenverständnis voraussetzen, das anhand von Sensordaten erstellt und adaptiert wird. Im Mittelpunkt unserer Forschung steht also das Gesamtsystem, was die Arbeit mit dem Roboter unheimlich spannend und abwechslungsreich macht und zahlreiche Möglichkeiten für interdisziplinäre Zusammenarbeit bietet.

HAINER kann unter anderem Gewichte heben, Treppen steigen und auf unebenen Flächen gehen. Welche seiner Features sind für Ihre Forschung besonders interessant und warum?

HAINER kann laufen und dabei mit schweren Gegenständen hantieren. Hier mit seiner von Präsidentin Tanja Brühl verliehenen Mitarbeiterurkunde.
HAINER kann laufen und dabei mit schweren Gegenständen hantieren. Hier mit seiner von Präsidentin Tanja Brühl verliehenen Mitarbeiterurkunde.

Arenz: HAINERs herausragende Merkmale sind seine Drehmomentregelung, die hohe Nutzlast von sechs Kilogramm an einem ausgestreckten Arm sowie seine Sensorvielfalt. Die Drehmomentregelung ermöglicht es uns, genau zu kontrollieren, welche Kräfte der Roboter auf seine Umgebung ausübt. Dies ist nicht nur wichtig für sichere Interaktionen mit Menschen, sondern hilft dem Roboter auch, seinen Schwerpunkt zu kontrollieren und das Gleichgewicht zu halten. Die hohe Nutzlast erlaubt es uns, praktische Anwendungsfälle zu betrachten – eine Kiste Wasser zu tragen ist eben doch etwas anderes als einen leeren Pappkarton. Die vielen Kameras in Armen, Füßen und im Kopf ermöglichen es uns, ein möglichst komplettes 3D-Modell der Umgebung zu erstellen und aufrechtzuerhalten, was insbesondere für komplexere und langwierige Aufgaben nützlich ist.

Welche Vorteile bietet HAINER gegenüber anderen Humanoiden?

Arenz: Die derzeit auf dem Markt befindlichen Alternativen sind hauptsächlich auf Fortbewegung ausgelegt. Sie sind leichtgewichtig und können beeindruckende Bewegungen wie Tanz und Saltos vollführen. Diese Roboter bieten einen gewissen Show-Effekt, laufen aber Gefahr, für die Forschung langweilig zu werden. Klar, die Lernmethoden lassen sich noch verbessern, aber wenn ich mir die akrobatischen Bewegungen dieser humanoiden Roboter anschaue, frage ich mich, wie lange es noch dauert, bis uns die Forschungsfragen ausgehen.

HAINER wird mit seinen fast 100 Kilogramm keine Saltos oder Flickflacks vorführen können, aber dafür kann er anpacken. Das eröffnet uns ganz andere Möglichkeiten. Ein Roboter, der nicht nur passiv durch die Welt wandert, sondern diese aktiv und zielgerichtet verändern soll, benötigt ein semantisches Szenenverständnis und muss in der Lage sein, auf unterschiedlichen Abstraktionsebenen zu schlussfolgern und zu agieren. Wir stehen vor Herausforderungen, für die es keinen klaren Lösungspfad gibt. Ich glaube, ein Paradigmenwechsel von monolithischer zu systemischer KI ist der nächste logische Schritt. Wohin er uns führt, ist noch zu erforschen.

Die Fragen stellte Michaela Hütig.

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