Vom Campus in die Arktis: Wie Bachelor-Studierende die Polarforschung mit einem Softwareprojekt unterstützen

Im Teamprojekt Softwareentwicklung sammeln Studierende an der TU Darmstadt schon im Bachelorstudium Praxiserfahrung

10.04.2024 von

Das Alfred-Wegener-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) betreibt Flugzeuge zur Erforschung von Arktis und Antarktis. Studierende der Fächer Informatik und Cognitive Science haben im Softwareentwicklungsprojekt im Rahmen ihres Bachelorstudiums an der TU Darmstadt Software entwickelt, mit denen diese Flüge in Zukunft einfacher geplant werden können.

Auf Einladung des AWI konnten sich die Studierenden zusammen mit ihrer studentischen Teambegleitung Tobias Tiebes im Juni eines der Polarflugzeuge im Hangar in Bremen besichtigen.

Zum Studienplan des Bachelor of Science Informatik sowie des Bachelors of Science Cognitiv Science gehört das “Teamprojekt Softwareentwicklung” (bisher Bachelor-Praktikum), in dem Studierende in kleinen Gruppen von vier bis fünf Personen an konkreten Projekten den kompletten Softwareentwicklungsprozess erlernen und praktisch üben. Die Gruppen werden dabei von Auftraggebenden aus der gesamten Universität betreut, jede Gruppe bearbeitet ein anderes Thema.

Eines dieser Themen im Wintersemester 2022/23 war der Science Flight Planner, bei dem die Studierenden Leon Krüger, Lars Reining, Jonas Schröter, Moritz Vogel und Hannah Willkomm ein Plugin für das freie Geo-Informationssystem QGIS entwickelt haben. Dieses ermöglicht es jetzt, die Flugrouten für wissenschaftliche Erkundungsflüge einfacher und effizienter zu planen. Die Software kommt für die Planung der Flüge von Polar 5 und 6 des AWI zum Einsatz und steht außerdem auch als Open Source Software für alle zum kostenlosen Download und Einsatz bereit.

Die Auswahl einer geeigneten Flugroute für ein Erkundungsflugzeug ist ein komplexes Problem. In der knappen und teuren Flugzeit sollen möglichst viele interessante Punkte abgeflogen und von den Sensoren an Board des Flugzeuges erfasst werden. Dabei reicht es nicht, einfach Raster abzufliegen, sondern es können sehr komplexe Routen benötigt werden, um beispielsweise der gewundenen Fließlinie eines Gletschers zu folgen.

Die Software muss also verschiedene interessante Flugziele wie Risslinien vereinheitlichen, sortieren, und als nutzbaren Flugplan ausgeben. Außerdem muss darauf geachtet werden, dass alle relevanten Bereiche von der Sensorik an Board des Flugzeuges korrekt und teilweise mit einer vorgegebenen Überlappung erfasst werden können. Eine solche Planung muss zudem auch ohne Internetverbindung in einem Zelt irgendwo im ewigen Eis funktionieren, um nach der Schnellauswertung der Ergebnisse eines Flugtages die Route für den nächsten Tag anpassen zu können.

Viele Anforderungen also, die die Studierenden zu berücksichtigen hatten. In der Lehrveranstaltung wird dazu ein moderner Softwareentwicklungsprozess eingeübt: Die Studierenden müssen im Gespräch mit den Auftraggebenden die Anforderungen an eine Software ermitteln, ein geeignetes Softwaredesign entwickeln und dieses implementieren. Dies geschieht in einem iterativen Prozess über den Verlauf eines ganzen Semesters.

Betreut wurde die Gruppe vom Informatikfachgebiet Scientific Computing und von Prof. Angelika Humbert. Sie ist Professorin an der Universität Bremen, leitet beim AWI eine Arbeitsgruppe zur Modellierung und Fernerkundung von Eisschilden und ist Lehrbeauftragte an der TU Darmstadt. Dort hält sie jeweils im Wintersemester eine Vorlesung zur Mechanik von Gletschern und Eisschilden.

Prof. Humbert zeigte sich begeistert von der Zusammenarbeit mit der studentischen Gruppe. Neben der produktiven Zusammenarbeit und dem großen Interesse der Studierenden, sich in ihr Thema einzuarbeiten und eine nützliche Software zu entwickeln, lobte sie insbesondere die Maßnahmen zur Qualitätssicherung. Diese sind ein fester Bestandteil der Lehrveranstaltung. Um sicherzustellen, dass die Software am Ende tatsächlich für die Domänenwissenschaftler*innen nützlich und nutzbar ist, hat die Gruppe eine breit angelegte Nutzungsstudie mit Forschenden aus verschiedenen Gruppen in ganz Deutschland durchgeführt. Außerdem wurden eine Hilfe-Funktion und ein Erklärvideo umgesetzt.

Durch die Kombination aus agilem Softwareentwurfs- und Entwicklungsprozess, geeigneten Qualitätssicherungsmaßnahmen und einer guten Dokumentation der entstandenen Ergebnisse, haben die Studierenden nicht nur sehr viel gelernt und praktische Einblicke erhalten, sondern es ist auch eine Software entstanden, die helfen kann, neue wissenschaftliche Ergebnisse zu erlangen.

Auf Einladung des AWI konnten sich die Studierenden zusammen mit ihrer studentischen Teambegleitung Tobias Tiebes im Juni eines der Polarflugzeuge im Hangar in Bremen besichtigen. Aktuell ist die Software im Einsatz, um die Flüge von Polar 6 in Kanada zu planen und eine Helikoptermission in Grönland vorzubereiten.

Teamprojekt Softwareentwicklung

Das Teamprojekt Softwareentwicklung ist ein Softwareprojekt für Bachelorstudierende der Informatik.

Die Studierenden erleben und erlernen dabei die systematische Durchführung eines nicht-trivialen Softwareprojekts in einer Gruppe von 4-5 Personen.

Die Projekte werden von TU-Angestellten angeboten und von den Studierenden gewählt und bearbeitet. Die entstehende Software soll einen Nutzen für Forschung, Lehre oder universitären Alltag haben.

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