Argumente in Sekundenschnelle
TU-Start-up Summetix prüft mit KI große Textmengen
15.12.2022 von Astrid Ludwig
Das TU-Start-up „summetix“ ist weltweit einer der ersten Anbieter für eine Technologie, die mit Hilfe Künstlicher Intelligenz Argumente aus Texten herausfiltert, auf ihre Qualität prüft und clustert. Das System ermöglicht die Suche nach Begriffen und liefert in Sekundenschnelle dazu Pro und Kontra-Argumente. Ein Verfahren, das beispielsweise die wissenschaftliche Literaturrecherche erleichtern kann. Zu den Kunden der TU-Ausgründung gehören nicht nur die Universitäts- und Landesbibliothek Darmstadt (ULB), sondern auch Unternehmen aus der Automobil- oder Konsumgüterindustrie, für die summetix das Kundenfeedback analysiert.
Gibt man heute den Suchbegriff „Klimawandel“ ins Netz ein, wird es schnell unübersichtlich. Über 97 Millionen Einträge finden sich allein bei Google zum Thema. Welche Argumente wichtig oder unwichtig sind, seriös oder Fake News lässt sich schwer überblicken.
„Wollte man alles lesen, würde es Wochen oder Monate dauern“, sagt Erik Kaiser, CEO und Ko-Gründer von Die KI-basierte Technologie, die er und seine Mitstreiter entwickelt haben, braucht dafür nur Sekunden. Ein geübter Leser, so Kaiser, liest ungefähr einen Satz in der Sekunde. Künstliche Intelligenz schafft in der gleichen Zeit bis zu 1000 Sätze. In einer Sekunde arbeitet sich die KI-basierte Anwendung von summetix durch 20 Artikel oder 300 bis 400 Social-Media-Beiträge. summetix.
„Unser System kondensiert Texte auf rund fünf Prozent der Argumente, die wirklich relevant sind“, erläutert der TU-Alumnus. Innerhalb von Minuten seien so alle wichtigen Informationen zugänglich „und das mit der 95-prozentigen Genauigkeit eines Menschen“.
Argumente qualitativ prüfen und clustern
Argument Mining, das Erkennen sprachlicher Argumente mit Hilfe von Algorithmen und Künstlicher Intelligenz, daran wird in der Informatik schon seit rund sieben Jahren geforscht. Das Besondere an der Technologie von summetix ist, dass die Texte gefiltert, die Argumente qualitativ geprüft und auch gleich geclustert werden. Das System fasst gruppenähnliche Informationen zusammen und ist zudem in der Lage, Texte beispielsweise auch auf Deutsch, Englisch oder Französisch zu erkennen. Aktuell, betont Kaiser, gibt es in diesem Bereich weltweit kaum Mitbewerber – außer IBM. „Unsere Technologie ist nicht leicht zu kopieren. Wir haben Jahre gebraucht, um sie zu entwickeln“, betont er. Das geschah zumeist in den Forschungslaboren der TU Darmstadt.
Geforscht haben Erik Kaiser und summetix-Mitbegründer Dr. Johannes Daxenberger mehrere Jahre im Team von im Professorin Iryna Gurevych an der TU Darmstadt. Daraus entstand 2017 am Fachgebiet das Forschungsprojekt „ArgumenText“, dem es gelang, konkrete Informationen aus großen Textmengen zu extrahieren und in Pro- und Kontra-Argumente zu filtern. Ubiquitous Knowlege Processing (UKP) Lab
„Das war Grundlagenforschung“, sagt Kaiser, der Wirtschaftsingenieur ist und zum interdisziplinären Forscher-Team von ArgumenText gehörte. Das UKP-Lab war der Nährboden für die summetix-Ausgründung, zu der sich im März 2021 Erik Kaiser, Johannes Daxenberger sowie Benjamin Schiller und Andreas Lukic zusammentaten. Mittlerweile umfasst das Team sechs Mitglieder. Zur Gründung eines Start-ups hatten sich die TU-Forscher entschlossen, „weil unsere Entwicklung auf Messen, Kongressen oder Veranstaltung auf viel Interesse in der Wirtschaft und Industrie stieß – unter anderem in der Autoindustrie“, erläutert Kaiser.
Unterstützung durch HIGHEST
Unterstützung fanden sie sowohl durch das der TU Darmstadt als auch über das EXIST-Gründerstipendium des Bundeswirtschaftsministeriums, das ihnen ein Jahr lang Personal- und Sachmittel sowie Coaching bereitstellte. Zuschüsse erhielten sie zudem aus einem Start-Programm des Freistaates Bayern, da Sitz des Spin-off mittlerweile in Aschaffenburg ist. HIGHEST-Gründerzentrum
„Das war sehr hilfreich im ersten Jahr, das in die Coronazeit fiel, wo wir auf keiner Messe oder Veranstaltung persönlich für unser Produkt werben konnten“, erinnert sich CEO Erik Kaiser. Mittlerweile hat das Start-up sieben Kunden gefunden, darunter Unternehmen wie BMW, Melitta, einer der weltweit größten Konsumgüterhersteller oder eben auch die ULB.
Schnelles und fundiertes Feedback
Für die Kunden aus der Wirtschaft konzentriert sich summetix vor allem auf das Customer-Feedback. Bisher laufen die Analyse und Beantwortung von Rückmeldungen und Beschwerden oftmals noch manuell. Das braucht Zeit und kostet Geld.
„Wir sind dagegen tausendmal so schnell und liefern eine rasche Übersicht für die Unternehmen, was gut oder schlecht läuft oder welche Markttrends gerade aktuell sind.“ Summetix analysiert dafür E-Mails, Social-Media-Bewertungen, Kunden-Telefonate und Daten der Service-Center. Dank schneller Auswertung ließen sich Probleme rascher erkennen, Produkte weiterentwickeln oder notfalls auch zurückrufen. Das verhindere mögliche Imageschäden und führe zu einer größeren Kundenzufriedenheit. Auch Kundenbefragungen könnten detaillierter durchgeführt werden, zählt Kaiser die Vorteile auf.
summetix bietet den Unternehmen entweder die eigene Analyse samt Report oder die Kunden wenden nach einer Schulung die KI-basierte Software selbst an. Die Rückmeldung der Firmen ist gut, betont der Start-up-Gründer. „Erstaunt sind die meisten vor allem darüber, wie tiefgreifend die Informationen sind, die unser System herausfiltert“, sagt der 28jährige Wirtschaftsingenieur. Kaiser hat als Werksstudent zuvor in der Aktienanalyse einer Investmentbank gearbeitet und sieht auch dort mögliche Anwendungsfelder für sein Start-up.
Einsatz in der ULB
Eine Zusammenarbeit hat sich seit dem Wintersemester 2021/2022 ebenfalls mit der ULB entwickelt. Studierende, Beschäftigte und Lehrende der TU können den summetix-Service der Bibliothek für eine Literaturrecherche etwa für Hausarbeiten, Masterthesis oder Promotion nutzen. Die Nutzenden können dabei nach Begriffen suchen. Bei der Analyse verwendet summetix insbesondere Publikationen der TU Darmstadt als Quelle sowie Texte und Dokumente aus dem Programm von Springer Nature Open Access. „Unser System ist auf vielen tausend Texten trainiert und auf das Herausfiltern qualitativ hochwertiger Argumente“, betont Erik Kaiser.
Laut Thomas Stäcker, Direktor der ULB, läuft derzeit die Erprobungsphase: „Es entwickelt sich sehr positiv und wir präzisieren Bedarfe und sondieren Möglichkeiten der Nutzung in akademischen Kontexten. Ich sehe viel Potenzial“, sagt er. Geprüft werde derzeit, wie genau das Angebot zugeschnitten sein muss, also welche weiteren Texte eingespielt werden müssen, um den Nutzenden ein passgenaues Angebot machen zu können, so Stäcker.